Endlich Abitur! Und jetzt?
Wie geht es nach dem Abitur weiter? Um diese Frage geht es zurzeit für Abiturienten. Der eine oder andere hat schon eine klare Vorstellung davon, was sie nächstes Jahr machen wollen. Diejenigen, die noch nicht wissen, wo ihr Weg hinführt, geraten dagegen unter Druck. Könnte das nicht vielleicht an der Mentalität in den Sekundarschulen liegen? Wir haben uns dazu Gedanken gemacht.
Uni, Uni, Uni. Viele Schüler des Abiturjahres können das schon fast nicht mehr hören. Was ist denn mit denjenigen, die von der Uni noch gar nichts wissen wollen? Annika Büx (19) hat vor zwei Jahren ihr Abitur gemacht und war zu diesem Zeitpunkt in einer ähnlichen Situation. „Ich bin quasi zu einem Studium gedrängt worden und ich glaube, ich habe mich aus Trotz für eine Lehre entschieden. Ich wollte mal was anderes machen. Es war im Endeffekt nicht die richtige Entscheidung.“
Oftmals führen verschiedene Wege zum passenden Beruf
Oft muss man verschiedene Wege einschlagen, um am Ende den passenden Beruf zu finden. Nur ist es blöd, wenn man nun gar nicht weiß, wohin es gehen soll – und das kann einen wirklich irre machen. „Alles außer Schule“ heißt es oft, damit man auch ja nichts mehr von dem Uni-Gequatsche mitbekommt.
„Ich finde es absolut wichtig, dass man Abiturienten auf die Uni vorbereitet. Man sollte nur auf keinen Fall davon ausgehen, dass jeder Abiturient später studieren wird. Leider ist das aber oft der Fall“, bestätigt auch Annika. Für orientierungslose Schüler kann es durchaus eine zusätzliche Belastung sein, neben dem klassischen Unterricht und dem Schreiben einer Endarbeit, noch entscheiden zu müssen, welchen Berufsweg man einschlagen möchte. Dann jedoch ist die Verwunderung oft groß, dass die Schüler „kein‘ Bock“ mehr haben, verzweifelt sind und schlechte Ergebnisse in Tests abliefern. Mittlerweile könnte es auch andere Gründe geben, warum das Desinteresse und die fehlende Motivation im Abiturjahr so groß sind.
„Es fehlen in der Schule meiner Meinung nach Stunden, in denen man einfach mal runterkommen kann.“ Tatsächlich ist der allgemeinbildende Unterricht sehr theoretisch und wissenschaftlich. Kreativität und Individualität sind nur begrenzt gefragt. Es wäre eine Idee, die Fächerauswahl zu überdenken oder ein Fach einzuführen, in dem man regelmäßig an Projekten oder Workshops teilnehmen kann. Unsere Generation vermag nämlich alles andere als faul zu sein, wie ältere Generationen es gerne mal ausdrücken, sondern wir sind sehr projektorientiert und strebsam.
Die Technik hat jedoch unser Schulsystem eingeholt. Viele Jobs, die im allgemeinbildenden Unterricht verankert sind, können wir später vielleicht gar nicht mehr ausüben, weil die Technik von Tag zu Tag mehr in unser Leben rückt und gewisse Berufe übernimmt.
„Was mich stört, ist dass in den Schulen die Lehr- und Handwerksberufe oft klein geredet werden“, sagt die 19-Jährige. Vor allem heutzutage werden diese Berufe noch viel wichtiger. In einer Welt, in der Wissenschaft und Technik Hand in Hand gehen, brauchen wir handwerklich begabte Leute und kreative Köpfe. Wissen und Memorisieren ist trotz allem wichtig und sollte auch weiterhin gefördert werden, doch dies sind Dinge, die von der künstlichen Intelligenz spielend ersetzt werden können.
„Viele müssen sich im Abitur auch erst finden“
Viele Schüler würden womöglich nicht so sehr an sich zweifeln, wenn sie sähen, dass die Arbeit, die sie verrichten, sinnvoll und einzigartig ist und nicht einfach durch Computer ersetzt werden kann. „Viele müssen sich im Abitur auch erst finden. Man kennt sich in dem Alter selbst noch kaum.“ Mit 18 Jahren sollte man noch nicht alles wissen müssen, sondern vor allem lernen dürfen. Man sollte an den Schulen mehr Wert darauf legen, den Schülern handwerkliche Berufe näherzubringen und ihnen noch mehr das Gefühl geben, dass es okay ist, sich bisher noch nicht darüber im Klaren zu sein, was für einen Beruf man später ausüben möchte.
Von Melissa Hilger – Foto: Nele Hilger