Glücklich am anderen Ende der Welt
Dana Schwall verbrachte die letzten fünf Monate mit ihrer besten Freundin Alicia in Costa Rica. Nach dem Abi-Stress wollte sie sich eine Pause von der Schule nehmen. Da sie ohnehin gerne reist und die Welt sehen will, war Costa Rica die perfekte Wahl. Vor Ort nahm sie an einem Freiwilligenprojekt teil und lebte in jeden Tag hinein. Die Sonne, der Strand, die Mentalität der Menschen. In Buena Vista hat sie ihr zweites Zuhause gefunden. Es war die bisher beste Erfahrung ihres Lebens.
Bei dem Programm, dass sich „Turtle Conservation Project“ nennt, steht die Schildkrötenbeobachtung im Fokus. Die meiste Zeit impliziert jedoch die Arbeit am Camp. Von den Reparaturen der Holzhütte, in der die Campbewohner leben, bis zum Bau von Zäunen zum Schutz der Schildkrötennester ist alles dabei. In nächtlichen Schichten begleiten einige Campteilnehmer die Schildkröten von ihren Nestern zum Meer, während andere auf Patrouille nach Spuren von Schildkröten-Mamas und deren Nestern suchen. Ist ein Nest erfolgreich gesichert, müssen alle Informationen aufgeschrieben und den Biologen zugesendet werden, die sich mit der Auswertung der Schlüpfrate von Schildkröten beschäftigen.
Das Hauptziel des Projekts besteht darin, die Überlebensrate von Schildkröten zu verbessern. Von den über 1000 Schildkröten, die die freiwilligen Helfer in der Hauptsaison wöchentlich freilassen, überlebt im Durchschnitt im Meer nur eine. Da solche Organisationen wie das „Turtle Conservation Project“ weltweit seit über 20 Jahren dafür sorgen, dass mehr Schildkröten das Meer erreichen, ist bereits eine Erhöhung der Schildkrötenpopulation in den Weltmeeren festzustellen. Aller Anfang ist schwer, heißt es bekanntlich. „Die erste Woche war aufregend, doch vor allem schwierig“, so Dana im Interview. Ihren ersten Kulturschock erlebte sie bereits bei ihrer Ankunft in San José hinsichtlich des Straßenverkehrs und des hygienischen Standards der Toiletten. Von dort aus ging die Reise weiter nach Samara, der Stadt, die nur eine Stunde Fußmarsch von ihrem Camp entfernt liegt. Bevor sie jedoch im Camp ankommen konnten, mussten sie barfuß mit ihrem Gepäck einen Fluss durchqueren, der sie von ihrem neuen Zuhause trennte. Erst später erfuhren sie von den Krokodilen, die üblicherweise in costa-ricanischen Gewässern zu Hause sind…
Auch das Leben in Buena Vista unterschied sich sehr von dem typisch westlichen Lifestyle: Eine Solarplatte war ihre einzige Energiequelle, die nur für das Aufladen ihrer Handys reichte, und geduscht wurde mit Regenwasser. Alle Projektteilnehmer übernachteten zusammen in einer offenen Holzhütte und waren – wenn man von einem Insektenschutznetz absah- jeglichen Krabbeltieren ausgesetzt. Dana erinnert sich an den Krebs, der ihr eines Nachts in den Fuß gebissen hat.
Alles Heimweh war nach der ersten Woche verschwunden, nach einem Monat begann sie ihr Leben dort in vollen Zügen zu genießen. Die anderen Campteilnehmer, die meist nur wenige Wochen blieben, waren größtenteils Europäer (Deutsche, Österreicher, Schweizer, Franzosen und Briten). Am Wochenende kamen ihnen auch Costa-Ricaner zu Hilfe. Die Projektleiter bestanden darauf, dass durchgehend Englisch gesprochen wurde, sodass sich alle untereinander verständigen konnten und auch sie selbst sich nicht ausgeschlossen fühlten. Nicht nur spricht Dana jetzt fließend Englisch, auch ihre Spanischkenntnisse haben sich erheblich verbessert, da dies die vorherrschende Sprache Costa Ricas ist.
Ihre Freizeit bestand aus Exkursionen in die subtropischen Wälder und Städtetrips nach Samara. Dort erledigten sie Einkäufe, gingen in ihre Lieblingsbar „Pablitos“ und nahmen Surf-Unterricht. Die Einheimischen erlebte sie als sehr einladend und offen, z.B. nahmen diese die Campbewohner oft per Autostopp mit in die Stadt. Die meiste Zeit verbrachten sie jedoch mit „just existing“: Chillen, Reden, Nachdenken, … Mit der Zeit wuchsen Dana und Alicia mit den anderen Long-Terms und den Leitern zu einer Familie zusammen. Täglich bestaunten sie die wunderschönen Sonnenuntergänge und lebten ohne Stress und ohne Sorgen in den Tag hinein. Auch erfüllte sich Dana ihren lebenslangen Traum vom Reiten am Strand. In einem ihrer Tagebucheinträge schreibt sie: „Ich war in meinem Leben noch nie so glücklich (…) Ich wünsche jedem Menschen auf der Welt, eine solche Erfahrung machen zu können und so glücklich zu sein“.
In Costa Rica hat sie viel über das Leben und sich selbst gelernt. Auch hat sie herausgefunden, was sie nun studieren möchte. Viele Eltern glauben, dass ein Auslandsjahr ihr Kind vom Studieren abhält. Das Gegenteil ist der Fall, kann Dana bestätigen und betont, dass sie diese Pause gebraucht hat, um Energie zu tanken. Jetzt ist sie motiviert und freut sich darauf, im September ihr Tiermedizinstudium anzutreten. Also für alle, die mit dem Gedanken spielen, ein Auslandsjahr zu machen: „Macht es! It’s a lesson for life.“
Salome Backes