29. April 2025
KAE Eupen

Der Himmel auf Erden in Japan

„Der Kunde ist König“ ist in Europa zwar ein weitverbreiteter Werbeslogan, aber nur in japanischen Convenience Stores wird er wirklich gelebt. Solche „Convenience Stores“, in Japan auch „konbini“ genannt, sind Einzelhandelsgeschäfte, die weit mehr als nur den täglichen Bedarf decken. Ursprünglich stammen „Convenience Stores“ aus den USA. Mittlerweile aber hat sich die Wirtschaftlichkeit des japanischen „Convenience Store“-Sektors so stark gesteigert, dass der amerikanische Marktführer 7-Eleven von einem japanischen Unternehmen aufgekauft wurde.

Wie der Name es verrät, besteht ihr Ziel darin, so „convenient“ – also bequem – wie möglich zu sein. Dies erreichen sie dadurch, dass sie 24/7 geöffnet haben und für eine einfache Erreichbarkeit sorgen; denn bei rund 123 Millionen Einwohnern in Japan haben „Convenience Stores“ es geschafft, 56.000 Filialen aufzustellen. Außerdem bieten sie eine Produktpalette von 3.000 Artikeln an, die jährlich um zwei Drittel mit neuen Produkten ersetzt wird, um den sich ständig wandelnden Bedürfnissen der Japaner gerecht zu werden.

Ihren Erfolg haben sie zum einen ihren hochentwickelten Systemen, wie dem Franchise-, dem Point of Sales-, dem Informations- und dem Verteilungssystem zu verdanken, zum anderen aber auch ihrer Multifunktionalität. 63 Prozent ihres Sortiments bestehen aus Lebensmitteln, wie zum Beispiel Onigiris und anderen Fertiggerichten, die viel Aufmerksamkeit in den sozialen Medien erlangen.

Zufluchtsort bei Naturkatastrophen und Schutz vor Kriminalität

Sie bieten zudem auch Hygieneartikel, Haushaltswaren, Unterhaltungsprodukte und sogar Kleidungsstücke an. Auch Genussmittel wie Alkohol und Zigaretten gehören zum Angebotsspektrum. Zusätzlich fungieren die Geschäfte als Bank, Post, Café, Ticketcounter und als erweitertes Büro. Was japanische „Convenience Stores“ einzigartig macht, ist, dass sie gemeinschaftsorientiert handeln und sich um das Wohlbefinden ihres „Volkes“ kümmern. So dienen sie als Zufluchtsort bei Naturkatastrophen und schützen vor Kriminalität. Somit wurden „Convenience Stores“ 2011 sogar als viertgrößter Infrastrukturzweig Japans nach Gas, Wasser und Strom anerkannt. Heutzutage sind die „Convenience Stores“ allgegenwärtig und ein fester Bestandteil des Alltags der Japaner.

Die Generation X beschreibt sie wie Luft, die man einatmet; sie könnte sich ein Leben ohne diese 24-Stunden-Läden nicht mehr vorstellen. Jetzt stellt sich die Frage: Warum sind „Convenience Stores“ bei uns in Europa weder so im Trend, noch Teil unseres Alltags? Beide Kulturen sind sehr unterschiedlich: Während die Japaner eher auf das Allgemeinwohl achtgeben, ist in Europa das Individuum selbst wichtiger.

Außerdem wäre in vielen Ländern, wie zum Beispiel in Deutschland, ein solches Konzept aktuell nicht machbar aufgrund des Ladenschlussgesetzes. Dieses Gesetz schreibt vor, dass an Werktagen in der Regel nur zwischen 6 und 20 Uhr geöffnet sein darf und dass sonn- und feiertags geschlossen sein muss. Genau an diesem Beispiel erkennt man, dass die individuelle Freiheit der Angehörigen des Dienstleistungspersonals nach deutschem Rechtssystem höher gewichtet wird als das Allgemeinwohl der Kundengemeinschaft. Dies lässt sich auf die Religion zurückführen, denn in christlichen Kulturen ist der Sonntag heilig; einem japanischen Angestellten ist dagegen nichts heiliger als das Wohl des Kunden. Für einen deutschen Angestellten wäre es undenkbar, sich vor einem Kunden zu verbeugen, so wie es in Japan alltäglich ist.

Außerdem tätigen die Japaner viele kleine Einkäufe täglich. Europäer hingegen gehen in der Regel einmal pro Woche einkaufen, weshalb die Nachfrage nach 24-Stunden-Diensten eher gering ist. Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass Europa noch nicht bereit ist, ein so flächendeckendes Dienstleistungssystem zu entwickeln, welches die Kundschaft 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr zufrieden stellt.

Yuriko Thyssen – Fotos: Jun Haga

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