Alkoholkonsum: Alles so unbedenklich?
Ostbelgien ist bekannt für seine Feste, die Kultur und den Sport. Besonders bei Jugendlichen ist Feiern ein fester Bestandteil des Wochenendes. Woche für Woche findet irgendwo ein Ball oder ein Dorffest statt, bei dem zahlreiche junge Menschen zusammenkommen. Doch wo gefeiert wird, fließt auch der Alkohol – und das oft schon im jungen Alter. Die Frage stellt sich: Ist der Alkoholkonsum der Jugend in Ostbelgien kritisch zu betrachten?
Gerade auf dem Land beginnt der Kontakt mit Alkohol oft früher als in der Stadt. Während in der Stadt strikte Kontrollen in Bars und Clubs üblich sind, geht es auf dem Dorf lockerer zu. Veranstaltungen wie Kirmessen oder Bälle sind für viele Jugendliche der erste Kontakt mit Alkohol. Das Ritual des „Bier um Vier“, bei dem bereits junge Kinder mit dem Konsum von Alkohol in Kontakt kommen, trägt dazu bei, dass der Umgang mit Alkohol als völlig normal angesehen wird. Auch innerhalb der Familie wird oft ein Auge zugedrückt, wenn 13- bis 14-Jährige ihr erstes Bier probieren.
Viele Jugendliche sehen am Alkoholkonsum nichts Kritisches, sondern vielmehr ein kulturelles Element. Noah Z., ein 18-jähriger regelmäßiger Festbesucher und Schüler, sagt dazu: „Auf dem Dorf gehört das einfach dazu. Jeder trinkt, und solange man nicht völlig eskaliert, ist es auch kein Problem.“ „Meine Eltern haben mir mit 15 das erste Bier angeboten, und ich finde das besser, als wenn man es heimlich macht.“ Für ihn gehört Alkohol zur Kultur – Trinken verbindet Menschen und schafft Gemeinschaft.
Doch es gibt auch eine andere Sichtweise. Niko L., 19 Jahre alt, sieht den Konsum kritischer: „Ich sehe zu viele Leute, die es übertreiben. Es gibt Abende, an denen man sich fragt, ob das noch Spaß oder schon Selbstzerstörung ist. Ich habe Freunde, die jedes Wochenende betrunken sind und das normal finden.“ Die Toleranz gegenüber Alkohol sei viel zu hoch, findet er.
Dr. Keus, eine Allgemeinmedizinerin, warnt eindringlich vor den Gefahren des frühen Alkoholkonsums. „Das Gehirn entwickelt sich bis zum Alter von 23 bis 24 Jahren. Fängt man früh mit Alkohol an, kann dies zu irreparablen Schäden führen. Das Gehirn von Jugendlichen ist noch im Aufbau und reagiert sensibler auf Alkohol als das von Erwachsenen.“ Die Folgen können, wie wissenschaftlich bewiesen, dramatisch sein: „Fähigkeiten wie das Überlegen, die Planung, räumliche Orientierung, Gedächtnis und Konzentration können dauerhaft beeinträchtigt werden. Schulische Leistungen sinken oft stark.“
Neben den gesundheitlichen Folgen spielt auch das soziale Verhalten eine Rolle. Laut Dr. Keus sinke außerdem die Selbstbeherrschung und das impulsive und aggressive Verhalten nehme zu. Jugendliche unter Alkohol würden zusätzlich dazu öfter Opfer oder Täter von Straftaten als Erwachsene.“ Diese Problematik ist auf Partys und Festen oft zu beobachten. Es stellt sich die Frage, ob die aktuelle Lockerheit im Umgang mit Alkohol beibehalten werden sollte. Niko L. sagte dazu: „Ich finde es problematisch, wenn Eltern schon 14-Jährigen Alkohol erlauben. Klar, es ist besser, wenn sie es zu Hause probieren als heimlich irgendwo, aber so wird das Ganze verharmlost.“ Noah Z. sieht dies jedoch anders: „Mit 16 sollte Bier und Wein erlaubt bleiben. Es gehört einfach dazu. Ich finde es sogar gut, wenn Eltern den Umgang damit beibringen, anstatt es zu verbieten.“
Laut Dr. Keus liegt die Lösung in der Prävention: „Eltern und Erziehungspersonal müssen Vorbilder sein. Es ist wichtig, dass Kinder früh über die Konsequenzen von Alkohol aufgeklärt werden. Ein stabiles familiäres Umfeld hilft dabei, dass Jugendliche nicht aus Gruppenzwang trinken. Außerdem sollte Jugendlichen gezeigt werden, wie sie mit Stress anders umgehen können – zum Beispiel durch Sport oder kreative Aktivitäten.“
Der Alkoholkonsum in Ostbelgien ist tief in der Kultur verankert, vor allem auf dem Land. Während einige ihn als harmlos betrachten, sind die gesundheitlichen und sozialen Risiken nicht zu unterschätzen. Die Frage bleibt: Wie kann man eine Balance zwischen Tradition und einem verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol finden? Eine stärkere Aufklärung und bewussterer Konsum könnten ein erster Schritt in die richtige Richtung sein.
Arnaud Michels und Jan Felten – Foto: PantherMedia